Können Christen Antidepressiva nehmen? (John Piper)

Frage: Was hältst du davon, wenn Christen Antidepressiva nehmen. Ich habe Antidepressiva genommen und mir wurde vorgeworfen, ich würde Gott nicht genug vertrauen.

John Piper: Das hängt mit einer Frage zusammen, die wir vorher beantwortet haben. Demnach sagt man: Jedes Mittel oder persönliche Ding, das du zu irgendeinem Zweck einsetzt, kann ein Hinweis darauf sein, dass du nicht genug auf Gott vertraust und Gottes Hilfe nicht suchst. Essen könnte demnach ein Zeichen für mangelndes Vertrauen sein. Gott könnte deinen Bauch ja auch mit Hilfe eines Wunders füllen, so dass du nicht essen bräuchtest. Man könnte auch sagen: Es ist besser, wenn du nachts nicht schläfst, weil du dadurch dein Vertrauen auf Gott zum Ausdruck bringst und du nicht darauf hoffst, dein Schlaf würde deiner Psyche Stabilität geben.

Wir müssen hiergegen sagen: Gott hat gewisse natürliche Wege verordnet, über die wir mit dem versorgt werden, was wir brauchen. Es gibt neben „natürlicheren“ Wegen zur Versorgung (wie z.B. Essen) auch von Menschen geschaffene oder entdeckte wie z.B. die Medizin. Man kann Aspirin einnehmen oder andere Schmerzmittel. Die Wasserflasche in meiner Hand hilft meiner Kehle. Habe ich durch diesen Schluck darin versagt, mich auf Gott zu verlassen? Theoretisch könnte das so sein. Jemand sagt: „Wirf diese Flasche weg und verlasse dich auf Gott. Er wird deine Kehle feucht halten. Du musst nicht die Flasche zum Trinken gebrauchen. John Piper, du bist ein Götzendiener. Du gebrauchst diese Flasche als Götzen, weil du dich von ihr abhängig machst“.

Der Grund, weshalb das nicht der Fall ist, ist der, dass Gott diese Flasche gegeben hat, damit ich ihm für seine Versorgung danke. Er hat dieses Wasser geschaffen und er hat auch diesen Körper so geschaffen, dass er einiges an Flüssigkeit benötigt. Das entehrt Gott nicht, wenn ich für seine Versorgungs-Wege dank sage, die er gesetzt hat. Die Frage ist: Welche Medikamente sind von Gott gesetzte Mittel und Wege und welche nicht? Was ist, wenn ich Aspirin einnehme? Mein Augenarzt hat mir vor 4 Jahren gesagt: „Nimm eine kleine Aspirin-Tablette am Tag und du wirst bestimmten Augenerkrankungen vorbeugen“. Man nimmt also nur eine winzige Dosis und das unterstützt den Blutfluss (was auch für das Auge wichtig ist). Das hat er mir gesagt und daher nehme ich das jeden Tag. Dabei sage ich aber ganz bewusst: „Herr, ob meine Augen funktionieren oder nicht, das ist völlig von dir abhängig. Aber, wenn du willst, dass ich dieses Mittel gebrauche, nutze ich es.

Ganz konkret zu Antidepressiva würde ich aber sagen: Wenn du anfängst, in den Gehirnstoffwechsel von Leuten einzugreifen, dann ist man in einer sehr undurchsichtigen und schwierigen Situation. Aber ich möchte sagen: Niemand sollte es überstürzen, Medikamente zu nehmen, die in den Bewusstseinszustand deutlich eingreifen (während ich es sage, denke ich, darunter könnte aber auch z.B. Kaffein fallen). Niemand sollte die Einnahme solcher Medikamente überstürzen, die einen Bewusstseinszustand verändern oder bewahren sollen, der sehr viel mit Vertrauen auf Gott und der Frucht des Heiligen Geistes im Leben eines Gläubigen zu tun hat.

Dennoch weiß ich auch aus der Geschichte (man betrachte z.B. William Cowper) und aus meiner Erfahrung mit Seelsorge über viele Jahre, dass es sehr tiefe biochemische Dimensionen bzgl. unseres geistigen Zustandes gibt. Weil das so ist können physische Mittel hilfreich sein. Bei mir ist es Jogging. Bei mir werden bestimmte Stoffe durch Jogging freigesetzt. Das mag aber bei jemand anderem nicht funktionieren. Es mag sein, dass jemand beständig nicht in der Lage ist, seine Niedergeschlagenheit zu überwinden. Ich mag die Möglichkeit nicht außer Acht lassen, dass es eine Medikation gibt, die hoffentlich nur temporär, Abhilfe schafft. Das gelingt dabei aber nicht in jedem Fall. In meiner Kirche gibt es Leute, bei denen es nicht so klappt. Ziel ist aber eigentlich die temporäre Unterstützung, die jemandem dann auch erlaubt biblische Wahrheit anzunehmen und zu verarbeiten um dann aus der Kraft zu leben, die aus Gottes Wahrheit kommt, um dann nicht mehr zum Medikament greifen zu müssen. Aber es sei noch gesagt: Als ich dies zum Gegenstand einer Predigt an einem Ostersonntag gemacht hatte, schrieb mir eine Frau, die mir dafür dankte, dass ich diesen Ansatz in meiner Predigt gewählt hatte. Ich weiß genau, wo sie jede Woche auf der Empore sitzt. Sie sagte mir: „Ich möchte, dass du weißt, dass ich von Antidepressiva lebe. Ich weiß, wie das vor 20 Jahren ohne Medikamente war und ich kenne die damaligen Schrecken und die Finsternis meines Lebens. Jetzt liebe ich Christus, ich vertraue Christus. Ich liebe meinen Ehemann und unsere Ehe wurde bewahrt. Ich werde die Medikamente aber wahrscheinlich einnehmen müssen bis ich sterbe“. Ich bin also nicht prinzipiell gegen Antidepressiva, wir sollten jedoch sehr aufpassen, wie wir sie gebrauchen.

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